Bildverarbeitung gegen Fachkräftemangel

Bildverarbeitungssysteme als Lösung für den Fachkräftemangel?

Lösungen für den Mittelstand

Der Industriestandort Deutschland wird aufgrund vieler verschiedenen Krisen auf eine harte Probe gestellt. Die Pandemie-Jahre mit den daraus resultierenden Lieferkettenengpässe sorgten für Verzögerungen und Verwerfungen am Beschaffungsmarkt, die steigendenden Energiepreise sorgen für erhöhte Kosten in der Produktion und die sich daraus ergebende Inflation hebt die Sorge einer starken Rezession für das kommende Jahr 2023.

Und gefühlt ist das alles zusammen die bisher gesehene Spitze des Eisbergs, auf dem die großen und kleinen Industrieschiffe derzeit zufahren. Andere Gefahren liegen noch verborgen unter Wasser – man kann diese zwar bereits erahnen, aber wirklich sehen kann man diese noch nicht.

  • Zuspitzung politischer Konflikte mit damit verbundener noch schwierigerer Beschaffungslage
  • Starke Einschnitte durch Extremsituationen im Klima
  • Steigender Fachkräftemangel
 

Das letztere Thema ist das vielleicht derzeit noch greifbarste und zugleich schon spürbarste Thema. Das Ifo Institut hat erst am 2. August einen Bericht veröffentlicht, in dem beschrieben wird, dass 44% des verarbeitenden Gewerbes Probleme mit der Besetzung von Stellen hat. Außerdem ist es aufgrund der aktuellen politischen Entwicklungen zunehmend denkbar, dass mehr Produktion zurück in den Industriestandort Deutschland geholt wird, was die Situation ebenfalls weiter verschärft.

KMUs sollten stärker automatisieren

Es muss ein noch stärkeres Umdenken der Industrie gerade bei KMUs geben und der Schritt in die Digitalisierung sowie Automatisierung noch stärker in Betracht gezogen werden. Denn Fakt ist: Wer schon jetzt Schwierigkeiten hat Stellen zu besetzen, wird – auch trotz Rezession – in den nächsten Jahren ein noch stärkeres Fachkräfteproblem haben. Das Problem sollte daher nicht nur in die Personalabteilungen abgeschoben werden.

Gerade im Mittelstand wird noch viel Fachpersonal für Tätigkeiten eingesetzt, die sich durch technische Lösungen – wie beispielsweise Bildverarbeitungssysteme – ersetzen lassen würden. Wichtig ist an diesem Punkt zu erwähnen, wir sprechen in diesen Artikel nicht um das Austauschen und Einsparen einer Fachkraft – diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Wir sprechen über den sinnvolleren Einsatz einer Fachkraft im Unternehmen, deren Aufgabenbereich durch digitalisierte und automatisierte Lösungen vereinfacht wird und über das Nutzen des Potentials des Arbeitsnehmers, wenn simple Tätigkeiten durch Technik übernommen werden können.

KMUs – wie Konzerne – müssen ihre Produktionsprozesse schon jetzt stärker automatisieren, damit die Unternehmen für die Zeit aufgestellt sind, wenn der Fachkräftemangel richtig zum Tragen kommt – wenn der Dampfer dem Eisberg nicht mehr ausweichen kann. Die Darstellung ist ein wenig drastisch, aber ich wollte das obere Bild abschließen. Und trotzdem: die Schwierigkeit der Fachkraftgewinnung steigt proportional zum Bedarf der Automatisierung für die eigene Produktion am Markt. Denkt man jetzt an die aktuellen Themen der erneuerbaren Energie, wie den Bau von Photovoltaikanlagen am Eigenheim und die damit verbundenen Lieferzeiten und Kostenexplosion, kann man schnell erahnen was passiert, wenn es soweit ist:

Lange Lieferzeiten, verbunden mit hohen Kosten, bei zurückgehender eigener Produktion.

Welche technischen Lösungen gibt es für Mittelständler im Bereich der Bildverarbeitung?

BV-Systeme können eine große Abhilfe schaffen, sie sind das prüfende und entscheidende Auge und somit ein wichtiger Bestandteil einer Prozesskette während der Produktion:

Beispiel 1: Qualitätsüberprüfung

Egal, ob beim Wareneingang, in der Wertschöpfungskette und am Ende der Produktionsstraße. BV-Systeme können die Prozesskette verfolgen, und an definierten Positionen Prüfungen vornehmen und diese dokumentieren. Egal, ob es Oberflächen oder Konturen sind, ob Vermessungen oder Soll-Ist-Vergleiche aufgestellt werden sollen, BV-Systeme arbeiten 24h ohne Ermüdungseffekte.

Beispiel 2: Vollständigkeitsprüfung

Beim Zusammenbau einer Komponente kann zielgenau geprüft werden, ob alle Teilkomponenten richtig verbaut sind und ob Komponenten fehlen oder aus Sicherheitsaspekten falsch positioniert sind.

Beispiel 3: Track & Trace-Systeme

Verfolgung von Bauteilen während der Produktionskette ist ein Thema, das immer stärker im Kommen ist. Sei es über Fingerprints oder aufgetragener Codierung. Mit zusätzlichen Anlagendaten können hier alle Prozessschritte am Ende wiederhergestellt werden und Rückschlüsse auf Fehlerteile geschlossen werden.

Bildverarbeitung ist immer noch eine Blackbox

Wie so oft sind die Lösungen doch schon sehr Nahe und werden eigentlich auch schon von vielen Anbietern bereitgestellt. Aber warum gibt es gerade im Themenbereich der Bildverarbeitung noch immer einen so großen Nachholbedarf, gerade für KMUs? Hauptgründe hierfür sind:

  • Hohe Anschaffungskosten
  • Auch nach der Lieferung weitere Abhängigkeiten zum Zulieferer
  • Schwierige Bedienbarkeit und hoher Schulungsaufwand
  • Schlechte Akzeptanz – Bedenken der Mitarbeiter*innen
  • Unüberschaubares System und hohe Komplexität
 

All dies schreckt KMUs zurecht davon ab, sich auf neue Systeme umzustellen. Auch wenn man bedenkt, dass gerade am Anfang noch etwas Anpassungsbedarf für das System selbst herrscht. Bildverarbeitung ist in gewisser Art und Weise noch immer eine Blackbox – vorne geht ein Bild rein, hinten kommt ein Ergebnis raus. Es ist nicht direkt klar, wie es zur Entscheidung kam und ob diese entsprechend den Vorgaben stimmt. Das schreckt ab.

Fertige BV-Lösungen schaffen bereits eine gute Abhilfe

Da kommt es gerade recht, dass es einen Trend zu lösungsorientierten BV-Systemen gibt. Bestimmte Aufgaben werden bereits im Vorfeld durch den Hersteller gelöst und angeboten. Viele Aufgaben, wie die Erkennung von Label, Texterkennung, Konturerkennung und viele weitere, sind bereits im Portfolio großer Hersteller vertreten. Hier kann man wirklich nur werben, sich als Unternehmen die Zeit zu nehmen, die einzelnen Lösungen der unterschiedlichen Anbieter anzuschauen. Auch bieten Unternehmen bereits KI-Lösungen mit Onlineerstellung von Trainingssets an, was ein Schritt in die richtige Richtung ist. Allerdings helfen viele dieser Lösungen nur bis zu einem gewissen Grad der Aufgabe. Für alles andere wird wieder die Projektierung mit all ihren Vor- und Nachteilen benötigt. Somit bleiben gerade hier die hohen Anschaffungskosten sowie auch die Abhängigkeit zum Zulieferer erhalten. Die Technik ist somit nur für den interessant, der hohe Stückzahl fährt.

Auch Bildverarbeitung muss demokratisiert werden!

Bereits in der Robotik ist der Trend der Demokratisierung von Robotern erkennbar. Dahinter steckt das Verständnis, dass Roboter einfach und simpel programmierbar sein müssen. Warum? Ganz einfach, damit die Roboter für mehrere verschiedene Aufgaben angewandt werden können. Braucht ein mittelständisches Unternehmen den Roboter zunächst für Aufgabe A, so kann er ein paar Monate später auf Aufgabe B umprogrammiert werden – ganz unabhängig vom Zulieferer. Die Lebenszeit des Produktes wird länger, die Rentabilität steigt.

Und der Stand der Demokratisierung der Bildverarbeitung? Derzeit zumindest nach meinem Gefühl so “naja”:

Hier sprechen wir gerade von spezielleren kundenspezifischen Lösungen, keine Standardlösungen, bei denen die oben genannten Probleme besonders häufig auftreten. Ein Bildverarbeitungssystem von Aufgabe A auf Aufgabe B umzuprogrammieren, ist hier leider nicht so einfach, da zu viele verschiedene Einflüsse beachtet werden müssen. Fragen wie:

  • Welches Kamerasystem bestehend aus Hardware, Optik und Licht ist das Richtige?
  • Wie ist die Taktzeit, welche mit der Verarbeitungsaufgabe eingehalten werden muss?
  • Welche Endpunktinformationen sind notwendig?
 

sind tatsächlich noch die greifbarsten und trotzdem schon schwer zu beantworten. Gerade bei der Bilderverarbeitung spielen die nicht sichtbaren Faktoren und Fragen eine besondere Rolle zur Lösung des Problems:

  • Mit welchem Datendurchsatz und welcher Bildgröße muss mein Code umgehen können?
  • Welche Verarbeitungsstrategie möchte ich verwenden?
  • Benötige ich einen konventionellen oder einen KI-basierten Lösungsansatz?
 

Das sind Themen, die gerade für den Mittelstand im Tagesgeschäft das eigenständige Lösen erschweren. Und dennoch wird oft der Schritt in die Selbstlösung gewagt. Dabei sind Erkennungsraten bis 85% tatsächlich möglich und zugleich ein guter erster iterativer Schritt, aber für die Produktionswelt sind diese trotzdem unbrauchbar. Jeder weitere Schritt kostet Geld, Zeit und Nerven zugleich.

Eine Art Teildemokratisierung ist also bereits erreicht, welche jedoch für die Produktion leider nicht genügend ist.

Aber hier muss und kann man erwähnen, dass viele große Anbieter das Bestreben haben, genau in diese Richtung zu gehen. Applikationen und Lösungen anbieten, die für den Laien und nicht nur für den Experten nutzbar sind. Blicken wir die nächsten Jahre voraus, wird sich gerade in diesem Segment der Bildverarbeitung vieles tun. Sei es durch gute und einfach verständliche Software oder Online-Teaching-Programme verschiedener Algorithmen, die anschließend auf die Kamera gespielt werden können oder B2B-Places für Lösungen, die direkt auf die Kamera gespielt und nur noch leicht angepasst werden müssen. Der Weg geht in die vollkommen richtige Richtung und dennoch wird ein bisschen Zeit vergehen.

Wie kann man den Mittelstand derzeit trotzdem unterstützen?

Im Grunde ersetzt oder unterstützt ein BV-System eine menschliche Kontrolle, daher sollte bei der Projektierung und Beschaffung des Systems das Thema genauso angegangen werden, wie die Einstellung einer Fachkraft. Es geht um Vertrauen, das man mit einer Investition in ein System gibt, das mindestens genauso sicher sein muss, wie die menschliche Prüfung selbst. Daher muss der Kunde das System und die Technik dahinter auch verstehen können. Der Mittelstand muss mitgenommen werden bei der Frage, wie die Optik ausgewählt wird, wie sich für das Lichtkonzept entschieden wird und welche Kamera für den Anwendungsfall in Frage kommt. Der Prozess der Beauftragung darf sich hierbei nicht nur in einem seitenlangen Angebot verstecken, vielmehr muss klar kommuniziert werden:

  • Wir wählen dieses Kamerasystem, weil…
  • Wir wählen dazu diese Optik, da…
  • Wir wollen mit diesem Licht unterstützen, aufgrund …
  • Wir wählen für Ihre Prüfung diese Strategie, um …
  • Der Workflow der Bearbeitung wird folgendermaßen ablaufen, da …

Das Ganze nimmt der Bildverarbeitung die Abstraktion – es schafft Sicherheit und Verständnis. Des Weiteren sollte klar kommuniziert werden, wie das Projekt abläuft. Im Gegensatz zu anderen Systemen und Gewerken ist es oftmals so, dass BV-Systeme hardwaretechnisch relativ schnell vor Ort implementiert werden. Dabei sollte der Kunde nicht die Illusion haben, dass danach sofort alles zur gewünschten Quote funktioniert. Erst im zweiten Schritt können die für die letzten 15% der Verarbeitungsfunktion entscheidenden Bilder gesammelt werden – was je nach Anlage zwischen einer und vier Wochen dauern kann. Danach wird in der Regel die erste Abstraktion der Verarbeitungsstrategie innerhalb von zwei bis drei Wochen optimiert und in iterativen Schritten eine Auslesequote von mindestens 98% erreicht. Gerade diese Projektschritte müssen klar sein, um die Akzeptanz der BV-Systeme zu erhöhen. Wenn den Kunden klar ist, was auf Sie zukommt, haben sie Klarheit und einen fixen Zeitplan für die Implementierung.

Und wenn es um die Blackbox Bildverarbeitung selbst geht – so ist es immer empfehlenswert die einzelnen kleine Schritte vom Bild bis zum Ergebnis in der Angebotsphase aufzuzeigen:

  • Welche Schritte werden für das Auslesen eines OCR-Codes benötigt?
  • Welche Signale will man bei welchen Ergebnissen weitergeben?
  • Welche Endpunkte sollen während des Prozesses abgefragt werden und an welche sollen Informationen weitergegeben werden?
  • Wie soll die Dokumentation der Ergebnisse aussehen – Sollen Bilder auch gespeichert werden?

Es wirkt also alles hier zum Schluss fast schon etwas plump, wenn man bedenkt in welche Richtung man gehen kann. BV-Systeme sind kein Mysterium und vor allem sind Sie oftmals nicht so teuer, wie es wirkt.

Die Kosten sind trotzdem ein wichtiger Entscheidungsfaktor

Als wir im Rahmen eines BV-Systems für CNC-Fräsen eine Marktrecherche unter 100 Anwendern und Herstellern tätigten, so kam bei der Frage, wieviel ein Kamerasystem Ihnen Wert wäre, oftmals der Betrag von 5000€-10000€, bzw. von 10.000€ bis 15.000€ heraus. Vielleicht ist es etwas sehr aus der Luft gegriffen, aber tatsächlich merken wir, dass einzelne BV-Systeme gerade KMUs bis 15.000€ Wert sind, danach ist der Schritt zur Bestellung selbst noch zu groß.

Ist dieser Betrag möglich?

Im Grunde kommt es immer drauf an, wie das System aufgebaut ist und was man überprüfen möchte. Dabei muss man immer zwischen den Hardware-Kosten, den Integrationskosten und den zusätzlichen Entwicklungskosten unterscheiden:

Bei Hardware bewegt man sich je Kamerasystem (Kamera, Licht und Optik) meist um die 6000€, wenn man Bildverarbeitung innerhalb einer Taktrate von größer einer Sekunde haben möchte. Hat man eine schnellere Taktrate, steigt der Preis deutlich an, da die Performance aller Stellschrauben, wie Kamera, Rechnen-Performance und Licht gleichermaßen gesteigert werden müssen. Wichtig ist dabei aufzupassen, welche Ausbaustufen von Kameras man erhält. Oftmals werden Kameras mit vollen Funktionsumfang verkauft, die so aber niemals für den Anwendungsfall benötigt werden. Ist das der oben genannte vertrauensvolle Punkt? Sicherlich nicht.

Dazu kommen Integrationskosten, die in der Regel, wenn sie gut geplant sind, maximal 3000€ pro System kosten können, oftmals verringern Synergien diesen Preis, sprich wenn mehr Systeme gleichzeitig aufgebaut werden müssen. So bleiben zum Schluss noch 7000€ zur Entwicklung und Umsetzung einer Strategie, wenn man den Maximalsatz von 15.000€ nimmt.

Also “JA”, das kann funktionieren – Leider nur mit der Ausnahme, dass es immer abhängig von der Anforderung ist und jedes Mal neu bewertet werden muss.

Was nutzt es mir als Mittelständler?

Das Schöne an der Integration von Kamerasystemen ist, dass Sie während der Integration keinerlei Einwirkungen auf das Produktionssystem haben. Es kann sein, dass man evtl. den Einbau an produktionsfreien Tagen vornimmt, aber gerade die initiale Phase, bei dem das BV-System in Betrieb genommen wird, sorgt für keinerlei Verzögerungen im Produktionsalltag. Das Projekt läuft bis zur Freigabe so gesehen parallel. Ist die gewünschte Zielmarke erreicht, wird das System produktiv geschalten.

Ein BV-System kann zudem eine Fachkraft bei einer bestimmten Aufgabe ersetzen – es kann aber auch eine Fachkraft bei bestimmten Aufgaben unterstützen. Das Ziel ist, die Mitarbeiter*innen mehr für die wichtigen Aufgaben im Unternehmen einzusetzen. Bzw. diese dann schnell und zielgerichtet reagieren zu lassen, wenn das System ein Problemteil meldet. Gleichzeitig hat man als Unternehmen die Möglichkeiten, sich auf Makrothemen, wie den Fachkräftemangel vorzubereiten, aber auch den vorherrschenden Kostendruck zu senken, da beispielsweise die Systeme nicht nur die „40h“ unter der Woche, sondern eben auch die 48h am Wochenende arbeiten können.

So gesehen ist es ein wichtiger und richtiger Schritt, sich Gedanken zu machen, wie bestimmte Aufgaben in der Zukunft in Ihren Unternehmen abgegeben oder unterstützt werden sollen.

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